aus der Lindauer Zeitung vom 28.01.2008:

Zwerge blasen zum märchenhaften Ball

LINDAU – Die Gebrüder Grimm und orientalische Geschichtenerzähler hätten an diesem Abend ihre helle Freude gehabt: Wo sonst nüchterner Geschäftsbetrieb herrscht, hatten Ali Baba und die sieben Zwerge das Sagen. Traumhafte Dekorationen, Top-Bands, heiße Rhythmen und 1400 verwegene Gestalten verwandelten den Lindaupark am Samstag in eine echte Fasnachtshochburg.

Von unserer Mitarbeiterin Benedikta Rothstein

„Aaauuu Jaaaa!“ Der junge Mann ist tief beeindruckt. Soeben wirbeln die Mädels der Narrenzunft Lindau im coolen und sexy Outfit als „Ghostbusters“ durchs Erdgeschoss. „Das ist wirklich toll zum Anschauen“, schmachtet er. Da ist es gut, dass die Mädels selbst für Abkühlung sorgen: Zur Geisterjagd haben sie Wasser-Maschinengewehre mitgebracht. Und so manche der Mutigen, die sich – trotz eindeutiger Drohgebärden – zu nahe an die attraktiven Damen heranwagen, werden durch gezielte Treffer zur Raison gebracht. Ob auch echte Geister wegen der paar Spritzer aus den Latschen kippen? Auf die Jungs aus Fleisch und Blut machen jedenfalls weniger das Wasser als die optischen Stärken der Mädels Eindruck.

Umwerfend ist auch die unglaubliche Dekoration, mit der die Narrenzunft Lindau unter Ober-Moschtkopf Thomas Freilinger den Lindaupark in ein närrisches Märchen-Traumland verwandelt hat. Direkt unterm Dach residiert sogar ein leibhaftiger König Ludwig im pompös gestalteten Thronsaal. Im ersten Stock sorgen großflächige Dekorationen und ein Beduinenzelt für orientalisches Flair aus 1000 und einer Nacht, und im Märchenwald im Erdgeschoss fühlen sich alle Naturgeister wohl. Oder diejenigen, die auf den satten Rock der Coverband „Age P“ stehen. Doch die ersten Piraten, Scheichs, Alm-Öhis, Zwerge, Feen, Elfen, Kühe und Hexen, die den Lindaupark entern, haben zunächst genug damit zu tun, mit großen Augen die sagenhafte Dekoration zu bestaunen – und sich dann die besten Plätze an der „Froschtränke“ dem „Jungbrunnen“ und der „Ali Baba Bar“ zu sichern. Etliche genießen es sichtlich, die beleuchteten, durchsichtigen Fahrstühle zu beobachten – der einzige Weg, auf dem die Gäste die Party entern können – und so die phantasievollen Kostüme zu bewundern.

Ab neun geht es Schlag auf Schlag. Den Einheizer spielen die Neuravensburger Schalmeien, die die Stimmung zum Kochen bringen und damit den Boden für die Tanzband „Life Style“ bereiten. Die Weißensberger Schalmeien zünden mit „Surfing USA“ das Stimmungsfeuerwerk einen Stock tiefer und ernten begeisterte Zugaberufe. Genauso wie die Schönauer Hexen, die kurz darauf an gleicher Stelle ihr Publikum unter anderem auf den „Highway to Hell“ schicken.

Damen rasseln mit dem Säbel

Die beiden Zwerge Hamit und Belgin sind restlos begeistert. „Wir sind zum ersten Mal hier und haben viel Spaß“, schmunzeln sie. Auch eine Hexe strahlt übers ganze Gesicht: „Ich finde es echt toll hier.“ Sie hat ihren idealen Standort im ersten Stock gefunden, wo zwischen den Programmpunkten die DJs Jörg und Olli kräftig einheizen. Aber auch die Programmpunkte haben es hier in sich. Die Bauchtanzgruppe „Teutates Töchter“ sorgt nicht nur hüftkreisend und schleierschwingend dafür, dass sich alle Herren als Harems-Chefs fühlen – die Damen können auch furchteinflößend sicher mit dem Säbel umgehen. Und die Mädels der Tanzschule Schnell treffen mit mitreißendem Videoclip-Dancing den Nerv der jüngeren Zuschauer.

Doch dann haben alle nur noch Augen für die „Pressluft Niederwangen“, eine fetzige, riesige Lumpenkapelle, die sich lautstark spielend den Weg vom Dachgeschoss zu ihrem Einsatzort im Erdgeschoss bahnt. Doch auch der Fanfarenzug der Narrenzunft Lindau, der Trommlerzug Lindau Aeschach, der Fanfarenzug Laimnau, die kunterbunte Turbomusic Nonnenhorn und die verwegene Piratenbesatzung des Fanfarenzugs Brochenzell treiben ihr Publikum zum Mitsingen, Mithüpfen… und Mitschwitzen an. Kein Wunder, dass die Besatzungen der Bars ausgepowert ihr Schichtende herbeisehnen – um sich dann selbst in die Party zu stürzen…

Mit Gieskanne und Sonnenblume: Die Besucher nehmen sich das Motto „Ali Baba und die sieben Zwerge“ zu Herzen und erscheinen märchenhaft.

Auf einen Blick

Die Besucher müssen viel laufen

Wer in der dreistöckigen Fasnachtshochburg „Lindaupark“ unterwegs war und immer dort aufkreuzte, wo gerade am meisten los war, für den verging der Abend wie im Flug. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.

Eine Hexe war gar nicht glücklich darüber, dass der Ball auf drei Etagen verteilt war. „Das ist ein ständiges Gelaufe, da kann keine richtige Stimmung aufkommen“, klagte sie. „Ich kenne Fasnacht anders.“ Eine weitere, doch diesmal männliche Hexe, bevorzugt ebenfalls Fasnachtsbälle, die in nur einem Saal stattfinden. „Fasnacht ist vor allem, viele Bekannte zu treffen. Und das geht hier nicht so.“ Dafür ist jedoch die Freude umso größer, wenn sich irgendwann doch zwei Bekannte über den Weg laufen. Immer wieder können die Umstehenden „ergreifende Begrüßungsszenen“ genießen, die – je später der Abend – von immer ausgiebigerem Indianergeheul begleitet werden. Eine Frau ist hingegen restlos begeistert. Weil die Fanfarengruppen in allen Geschossen für Stimmung sorgen, ist überall etwas los, erklärt sie. Die unterschiedlichen Musikgruppen und DJs auf den verschiedenen Stockwerken bieten Musik für jeden Geschmack. Deshalb haben alle drei Generationen ihrer Familie ihren individuellen Wohlfühlort im Lindaupark gefunden. Der „Thronsaal“ von König Ludwig II. gibt außerdem älteren Semestern die Möglichkeit, den Trubel mit etwas Abstand zu genießen, schildert sie. Auch eine andere Frau ist von der Stimmung im Lindaupark hellauf begeistert. Als Raucherin hat sie trotzdem einen Wermutstropfen gefunden: „Die Rauchgelegenheit auf dem Parkdeck ist zu klein“.

Nachgefragt

1400 Narren kulinarisch versorgen, mit einem fetzigen Programm unterhalten und gleichzeitig Garant dafür sein, dass alles wie am Schnürchen klappt: Kein Wunder, dass Organisator „König“ Thomas Freilinger und seine „Königin“ um ein Uhr nachts nach rundum gelungener Logistikmeisterleistung übers ganze Gesicht strahlen. LZ-Mitarbeiterin Benedikta Rothstein hat mit ihnen Bilanz gezogen.

„Viele Leute sind von weit her angereist“

LZ: Waren Sie mit dem Fasnachtsball zufrieden?

Thomas Freilinger: Ich habe viele positive Reaktionen. Alle haben Spaß, finden den Fasnachtsball toll. Mich freut es ganz besonders, dass so viele Leute von weit her angereist sind, wie der Zunftmeister aus Saulgau.

LZ: Gab es unangenehme Zwischenfälle?

Freilinger: Natürlich nicht. Das war auch in den vergangenen Jahren nie ein Problem.

LZ: Sie haben sich heute als König verkleidet. Wer ist dann ihr Hofstaat? Die 140 Helfer?

Freilinger (winkt lächelnd ab): Ganz sicher nicht. Es war eher so, dass, wenn unsere Leute ein Problem hatten oder jemanden brauchten, der eine Kleinigkeit erledigt, dann hieß es: „Schaut, wo der König ist.“ Und sie haben mich immer gefunden!

LZ: Ein Ball dieser Dimension will von vielen Helfern gestemmt werden. Wie war die Zusammenarbeit im Narrenverein?

Freilinger: Unsere Leute waren mit absolutem Enthusiasmus bei der Sache. Alleine die Dekoration ist einzigartig! Und es gibt auch gar keinen Zweifel daran, dass unsere Leute heute um 11 Uhr wieder auf der Matte stehen, um aufzuräumen.

LZ: Wird es im nächsten Jahr wieder einen Fasnachtsball im Lindaupark geben?

Freilinger: Das entscheiden wir jedes Jahr neu.

Der Artikel zum Fasnachtsball aus der Lindauer Zeitung als PDF