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Die Narreneltern von Lindau

Am Sonntag, 22. Februar, ist in Lindau Narrensprung. Zu diesem Ereignis kommen Maskenträger aus dem ganzen schwäbisch-alemannischen Raum an den Bodensee.

Lindau gehört zu Bayern, aber die Art, die Fasnachtstage zu feiern, unterscheidet sich wesentlich vom übrigen Faschingstreiben im Freistaat. Hier gibt es die einzige bayerische Narrenzunft im schwäbisch-alemannischen Raum. Sie besteht erst seit 40 Jahren und knüpft mit zeitgemäßen Elementen an altes Brauchtum an. Die Fasnachtsgestalten tragen Maske, “Häs” (Gewand) und Handschuhe. Wie in den benachbarten Bodensee- und Allgäustädten gehören Narrenbaumsetzen, Rathauserstürmung, Narrenwecken, Fasnachtsumzug, Narrenbaumlegen und Fischessen dazu. Nur, dass die Lindauer bewusst das bayerische Rautenmuster einsetzen und die “Pflasterbuzen” mit den Perchten der Gebirgstäler verwandte Fasnachtsgestalten sind.

Eine weitere Besonderheit sind die Narreneltern, die schon zum zweitenmal als Ehepaar auftreten. Woanders wird die Narrenmutter meist von einem Mann dargestellt. Horst Bäckert, Zunftmeister und Gründer der Lindauer Narrenzunft, trat jedoch für Gleichberechtigung auch im Fasnachtstreiben ein. Ursprünglich waren alle Maskenträger Männer. Inzwischen ist selbst der Fanfarenzug, einst eine reine Männerdomäne, erfolgreich unterwandert. Die Narreneltern sind an die Hofnarren beim üblichen Faschingstreiben angelehnt. In deren Gewand tummelte sich anfangs das Ehepaar Buchberger. Mit dem Übergang zur alemannischen Fasnacht wandelte sich ihre Rolle in die der Narreneltern, für die eine eigene Ausstattung geschaffen wurde. Der Narrenvater trägt eine Weste über der Bundhose, aus der zweierlei Strümpfe hervorschauen. Darüber hat er einen königsblauen Mantel mit dem Lindauer Emblem, der Linde. Auf seinem Kopf sitzt der Dreispitz mit einem Fuchsschwanz. Die Narrenmutter ziert eine Tracht mit weißblauer Schürze als Referenz an Bayern. Auf dem Kopf trägt sie eine kostbare goldene Radhaube.

28 Jahre lang verkörperte das Ehepaar Buchberger die Narreneltern. Dann übernahmen es Herbert Baldauf und seine Frau Rosmarie. Im wohlverdienten Ruhestand kann sich der ehemalige kaufmännische Angestellte intensiv der Narrenzunft widmen. Dass er redegewandt ist, wird gleich zu Beginn der närrischen Zeit, beim so genannten “Häsabstauben”, hörbar.

Zu den Aufgaben der Narreneltern gehören Informationsabende über das Brauchtum. Da ist zu erfahren, dass die Fasnacht schon um 1300 in einer Lindauer Urkunde erwähnt wurde und im Lauf der Zeit in überlieferten Schriften immer wieder gegen “faßnachten und mumschanzen” gewettert wurde. _ Außerdem kümmern sie sich um den “Narrensamen”, die Kinder der Maskenträger. Am Gumpigen Donnerstag – gumpig kommt von hüpfen – wird das Rathaus gestürmt und der Oberbürgermeisterin sowie den Stadtvätern der Narrenspiegel vorgehalten. Beim Narrenbaumsetzen und Buzentanz, am Fasnachtssonntag (22. Februar) beim großen Narrensprung auf der Insel von Lindau, zu dem aus dem ganzen schwäbisch-alemannischen Raum Maskenträger anreisen, sind sie immer mit dabei. Der Fasnachtsdienstag gehört den Kindern. Sie ziehen, geführt von den Narreneltern, durch die Stadt. Herbert Baldauf zitiert: “Wer kein Narr zur rechten Zeit, wird im Leben nie gescheit.” Dietlind Castor